Gutschein statt Reisepreis?
Gutschein oder Reisepreis? Was kann ich verlangen, wenn meine Pauschalreise abgesagt ist?
Aktuell werden viele Urlauber mit der unschönen Situation konfrontiert, dass ihre Urlaubsreisen wegen der Corona-Pandemie abgesagt sind. Der bezahlte Reisepreis wird nicht erstattet, sondern freundlich auf eine Umbuchung oder auf Gutscheine verwiesen.
Gutschein oder Reisepreis – diese Frage stellt sich nach aktueller Rechtslage nicht. Im Falle einer Pauschalreise hat der Veranstalter nach § 651 Abs. 4 S. 1 BGB das Recht, die Reise abzusagen. Den Anspruch auf den Reispreis verliert er nach § 651h Abs. 4 S. 2 BGB. Die Rückzahlung des Reisepreises hat unaufgefordert und unverzüglich gemäß § 651h Abs. 5 BGB, maximal binnen 14 Tagen zu erfolgen.
Die Frist beginnt mit der Rücktrittserklärung. Überschreitet der Veranstalter die Frist, kommt er in Verzug und schuldet Zinsen und Inkasso- oder Anwaltsgebühren. Hier wird getrickst, denn Absagen werden mitunter wochenlang nicht mitgeteilt. Dies hindert den Fristlauf m.E. nicht, da Arglist zu unterstellen ist.
Was ist der Grund für das offensichtlich gesetzwidrige Vorgehen der Veranstalter?
Ganz einfach: Die Reisebranche hält sich für systemrelevant und fürchtet Verluste. Sie hat der Bundesregierung abgerungen, dass die EU-Kommission angeschrieben werden solle, den Veranstaltern folgendes zu gestatten:
- Gutschein statt Reisepreiserstattung bei Buchung vor dem 08.03.2020
- Härtefallkausel, falls ein Gutschein unzumutbar ist
- Gültigkeit des Gutscheins bis 31.12.2021, danach Zahlungspflicht
- Insolvenzabsicherung des Gutschein oder staatliche Rückversicherung
Die Bundesregierung hat dies am 02.04.2020 beschlossen und am 08.04.2020 das Entsprechende veranlasst. Die Reisebranche hofft darauf, dass die EU zustimmt. Zumindest für die Zukunft ist mit einer entsprechenden Regelung zu rechnen. Eine Rückwirkung auf bereits fällige Ansprüche ist m. E. mit deutschem Recht und euopäischem Recht nicht zu vereinbaren.
Sonderfall Flugtickets
Hier ist die Rechtslage noch eindeutiger: Die FluggastrechteVO der EU sieht eine Rückzahlung des Ticketpreises binnen 7 Tagen nach Stornierung des Fluges vor. Doch auch hier soll nach oben genanntem Muster zunächst auf Gutscheine verwiesen werden dürfen.
Sonderfall Kultur-, Wissenschafts-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltungen
Auch für solche Tickets, die vor dem 08.03.2020 gebucht wurden, soll eine Gutscheinregelung bis 31.12.2021 mit Härtefallklausel gelten. Die hat das Corona-Kabinett am 08.04.2020 beschlossen. Die EU-Kommission muss hier nicht mitwirken, dies wird kurzfristig Gesetz werden.
Kritik und Handlungstipps
Dieser massive Eingriff in das Vermögen und damit Eigentum der Bevölkerung ist m.E. verfassungswidrig. In Art 14 GG und die Privatautonomie kann nicht mit der profanen Annahme einer Gefährdung der Reisewirtschaft eingegriffen werden. Wer Reisen veranstaltet, trägt das Risiko der Undurchführbarkeit und des Verlustes der Vergütung. Warum der Vertragspartner dafür mit einem Zwangskredit büßen muss, ist nicht verständlich. Warum eine Verzinsung nicht anfallen soll, ist unklar. Ein Härtefall ist kaum vorstellbar, wenn eine Urlaubsreise nicht angetreten werden kann.
Die Abwägung der wechselseitigen Risiken ist völlig missraten. Es nützt auch nicht, dass eine Insolvenzsicherheit gefordert wird:
Die „Thomas Cook“-Pleite hat das Versagen der Bundesregierung bei der Bemesssung der Höhe der Versicherungssumme bei Reisrücktrittsversicherungen nach deutschem Recht aufgezeigt, ein Erfolg der Versicherungslobbyisten.
Das Versprechen des Wirtschaftsministers, den Schaden auszugleichen, soll lediglich eine Amtshaftungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlerhafter Umsetzung der EU-Richtlinie verhindern.
Gezahlt wurde bislang nichts – warum sollte das sich zukünftig ändern? Und dass der Gutschein für eine Reise wenig helfen wird, wird sich zeigen, wenn nächstes Jahr die Nachfrage extrem hoch sein wird und die Reisepreise steigen werden. Ein Urlaubspreis ist futsch, wenn Sie nicht schnell handlen, glauben Sie mir.
Erheben Sie daher unverzüglich Klage auf Zahlung! Wenn Ihre Justiz sich in „Coronaferien“ befindet, beantragen Sie einen Mahnbescheid. Ihr Anwalt hilft Ihnen dabei weiter.
Sehr problematisch ist die Situation für diejenigen, die vor dem 08.03.2020 eine Reise gebucht haben, diese aber noch nicht voll bezahlt haben. Im schlechtesten Fall werden Sie die Reise bezahlen müssen, um dann lediglich einen Gutschein zu erhalten. Dieses Problem hat unsere Corona-Regierung offensichtlich nicht bedacht, bravo!
Sie müssen abwägen, ob Sie dem Veranstalter einen Zwangskredit gewähren oder stornieren und damit auf einem Teil des Reisepreises sitzen bleiben. Ihr Reiserücktrittsversicherung wird in diesem Fall nicht eintreten (es sei denn, Sie oder ein Reisender werden krank).
Fazit:
Die Bundesregierung lässt die Reisenden im Stich, während die Reisebranche massive Kredite bewilligt erhält. Ob Gerichte diesen enteignungsgleichen Vorgang retten werden, ist aktuell offen.
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