Videobeweis im Zivilprozess mit Dashcam und Actioncam

UnfallszeneBei Verkehrsunfällen finden immer häufiger Videos aus einer Dashcam oder Actioncam als Beweismittel Eingang.

Eine Dashcam ist eine Videokamera, die auf dem Armaturenbrett oder an der Frontscheibe eine Kfz angebracht ist und Videos aufnimmt. Bei einem Unfall oder einer manuellen Betätigung werden die Aufnahmen permanent gespeichert. Zahlreiche Apps stellen diese Funktion für Handy und Smartphone zur Verfügung. Actioncams lassen sich auf dem Fahrrad oder einen -helm montieren. Mit Hilfe dieser Technik verteidigen sich immer häufiger Beklagte bei Verkehrsunfällen. Die rechtliche Zulässigkeit des Videobeweis ist in der Diskussion, aber im Ergebnis nicht zu verneinen. Die Prozessgegner wenden regelmäßig die Unzulässigkeit ein und begründen dies mit einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht oder dem Recht am eigenen Bild sowie Grundrechtsverletzungen.

Diese Einwände überzeugen nicht:

  1. Das Recht am eigenen Bild wird bei zufälliger Erfassung auf einem Video oder Foto nicht tangiert, §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. KunstUrhG. Das Filmen eines Kraftfahrzeugs ist ohnehin nicht vom Recht am eigenen Bild erfasst.
  2. Das Filmen des öffentlichen Raumes ist nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig, denn aufgenommen werden nur öffentlich zugängliche Daten im öffentlichen Raum.
  3. Tangiert wird bei Aufnahmen eines Unfallbeteiligten oder eines Unbeteiligten, der eindeutig erkennbar ist (also nicht z.B. von hinten am Steuer sitzend als anonymer Fahrzeugführer oder als Motorradfahrer mit Helm) u.U. dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht, Art 1, 2 GG. Dies bedeutet aber nicht, dass damit der Einsatz der Dashcam unzulässig wäre. Zum einen greift die Rechtsprechung des BVerfG unmittelbar nur bei Eingriffen des Staates, zum anderen hat auch der Unfallbeteiligte das verfassungsmäßig verbürgte Recht auf Justizgewährung, das ihm erlaubt, alle Beweismittel in ein Zivilverfahren einzuführen (OLG Jena, MDR 2012, 542, 543). Bei der Abwägung der Interessen der Prozessparteien wird regelmäßig kein derartig schützenswertes Interesse ersichtlich sein, dass die Beweisverwertung unzulässig würde.
  4. Es wird in der Rechtsprechung im Übrigen schon seit langem nicht in Zweifel gezogen, dass nach einem Unfall Fotos zur Beweissicherung gefertigt werden dürfen, etwa von Fahrzeugen, Spuren, Örtlichkeit und auch vom Unfallgegner. Die im Vorfeld gefertigte Videoaufnahme, die nur bei einem Unfall dauerhaft gespeichert wird, greift insgesamt weniger in die Rechte Dritter ein, sie beabsichtigt nicht einmal den Eingriff in die Rechte. Dieser Eingriff wird erst dann manifest, wenn die Notwendigkeit des Eingriffs zu Beweiszwecken erforderlich wird (AG München, zfs 2014, S. 149 m. Anm. Diehl).

UPDATE 26.05.2014:

Der so genannte Düsseldorfer Kreis, das Gremium der obersten Datenschutzaufsichtsbehörden, hat beschlossen, dass im Regelfall die Benutzung einer Dashcam datenschutzrechtlich unzulässig ist, weil die Interessen der zufällig Gefilmten auf der Aufzeichnung die persönlichen Interessen des Kraftfahrzeugführers zur Beweissicherung überwiegen und damit keine rein persönlichen Aufnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG vorliegen. Den Beschluss können Sie hier nachlesen. Die Benutzung einer Dashcam ist damit als Ordnungswidrigkeit seiner Geldbuße bis zu 300.000 € bedroht.
Allerdings sind ungeachtet dessen wegen des relativ einfachen Verstoßes die Aufnahmen im Zivilprozess dennoch verwertbar.

Update 22.04.2015:

Ein anderer Einzelrichter am AG München hält hingegen die Nutzung einer Dashcam für regelmäßig unzulässig, da die Interessen des geschädigten Nutzers die des Schädigers nicht überwiegen könnten (zfs 2014693). Kernargument: Wo kämen wir denn dahin? Ihm folgt nunmehr auch das LG Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015, I S 19/14).

Nicht relevant ist in diesem Kontext ein häufig zitiertes Urteil des VG Ansbach  (zfs 2014, 687) , das einem Rechtsanwalt die permanente Aufzeichnung zum Zwecke der Feststellung von Verkehrsverstößen und anschließender Anzeige der Verkehrsteilnehmer nur aus formellen Gründen nicht untersagte, aber die Unzulässigkeit dennoch attestierte. Hier kann in der Tat kein berechtigtes persönliches Interesse erkannt werden. Die Situation ist bei der Dashcam aber anders, denn deren Aufzeichnung erfolgt ja nur dauerhaft, wenn ein Unfall festgestellt wird, ansonsten wird der Speicher immer wieder überschrieben.

Das AG Nienburg hat mit Urteil vom 15.01.15 die Verwendung der Dashcam in einem Strafverfahren als zulässig erachtet. Ein genötigter Pkw-Fahrer hatte die Kamera eingeschaltet, um in einer konkreten Gefahrensituation eine Beweissicherung zu betreiben. Das Urteil lesen Sie im Volltext auf den Seiten der Justiz Niedersachsen.

 

Update 08.01.2016:

Das Landgericht Landshut (Aktenzeichen 12 S 02.06.2003/15) hat mit einem Hinweisbeschluss vom 01.12.2015 unter Hinweis auf den Standardkommentar zur Zivilprozessordnung (Zöller, 31. Aufl., § 286 ZPO Rn. 15 c) und andere dieVerwertbarkeit der Aufzeichnung einer Dashcam bejaht, wobei es nach seiner Auffassung nicht darauf ankommt, ob ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vorliegt oder nicht. Es hat sich ausdrücklich gegen die im letzten Update genannten Urteile gewandt und bestätigt damit meine Auffassung.

2 Responses to “Videobeweis im Zivilprozess mit Dashcam und Actioncam”

  1. […] Gleiches gilt, wenn Telefongespräche oder auch persönliche Gespräche heimlich aufgezeichnet werden und dann diese (Video-) Aufzeichnungen im Prozess vorgespielt werden sollen. Bei der heimlichen Aufnahme mithilfe von Videokameras in Stiften, in Buchrücken, in Deckenlampen u.ä. ergibt sich eine Unzulässigkeit möglicherweise auch aus § 28 BDSG (vergleiche hierzu den Artikel Videobeweis im Zivilprozess mit Dashcam und Actioncam) […]

  2. […] Mittlerweile tendiert die Instanzrechtsprechung dazu, zumindest diejenigen Aufzeichnungen als Beweismittel zuzulassen, die von Dashcams nur in einer Unfallsituation dauerhaft gespeichert werden. Zwar wird auch bei einer Aufzeichnungsdauer von nur 2-3 Minuten eine Datenerhebung auch unbetroffener Personen die Folge sein, aber es findet keine dauerhafte Speicherung statt und damit wird die etwaige Verletzung als nicht gravierend eingeschätzt. Lesen Sie hier meine Darstellung aus 2014. […]

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