Beliebte Verkehrsirrtümer

Selbst erfahrene Juristen und sogar Fahrlehrer fallen immer wieder auf beliebte Verkehrsirrtümer herein, sodass ich die Klassiker hier einmal vorstellen möchte (natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Auf Parkplätzen gilt rechts vor links

Diese Annahme ist im Regelfall falsch. Auch wenn Parkplätze und Parkhäuser meistens eindeutige Fahrspuren ausweisen, geht die Rechtsprechung im Zweifelsfalle davon aus, dass ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 1 StVO besteht und bei Unfällen beide Verkehrsteilnehmer gleichermaßen für die Entstehung des Unfalls verantwortlich sind. Es ist immer mit ein- und ausparkenden Fahrzeugen zu rechnen, so dass Sie sich nicht darauf verlassen sollten, auf der Fahrbahn vorfahrtsberechtigt zu sein.

Parkplätze dürfen freigehalten werden

Auch dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Im Grundsatz gilt, dass derjenige einen Parkplatz beanspruchen kann, der ihn zuerst sieht und zum Hineinfahren ansetzt. Mitunter werden Beifahrer angewiesen, die Parkfläche freizuhalten, dies ist dementsprechend nicht zulässig. Ein nachfolgender Fahrzeugführer beansprucht in dieser Situation den Parkplatz als erster und  das Versperren eines Parkplatzes mit seinem eigenen Körper kann als Nötigungshandlung sogar strafbar sein.

Wer auffährt hat immer Schuld

Es ist zwar richtig, dass gegen den Auffahrenden ein Anscheinsbeweis spricht, dass er zu schnell oder unaufmerksam war, aber der auffahrende Kraftfahrzeugführer kann durchaus beweisen, dass der Vordermann für den Unfall verantwortlich ist, etwa durch plötzliches Einscheren auf die Fahrspur oder eine grundlose Vollbremsung. Eine grundlose Vollbremsung liegt auch dann vor, wenn wegen eines kleinen Tiers auf der Straße (Nagetiere, Kaninchen, Hasen, Füchse, Vögel aller Art) hart gebremst wird. Ein solches Verhalten ist dermaßen gefährlich, dass die Rechtsprechung einem Kraftfahrzeugführer zumutet, derartiges Kleingetier zu überfahren.

Lichthupe ist Nötigung

Schall- und Leuchtzeichen dürfen gegeben werden, wenn außerhalb geschlossener Ortschaften überholt wird oder wenn ein Fahrzeugführer sich oder Andere gefährdet sieht, § 16 Abs. 1 StVO. Auf Autobahnen ist es regelmäßig zu sehen, dass schnellere Verkehrsteilnehmer den langsameren, wie er meint, die Schlafmütze, von der Fahrspur bewegen möchte. Schnell wird von denjenigen, denen das Rechtsfahrgebot fremd ist, der Vorwurf der Nötigung erhoben, wenn die Lichthupe oder die Hupe oder beides zusammen betätigt wird. Dies wird es allerdings nur dann, wenn dabei auch noch dicht aufgefahren wird und penetrant der Weg freigeräumt werden soll, obwohl keine Möglichkeit besteht, gefahrlos nach rechts auszuweichen. Wer gefahrlos nach rechts ausweichen könnte, muss dies auch tun.

Rechtsfahrgebot gilt immer auf Autobahn

Hier kann der Drängler irren, denn das Rechtsfahrgebot gilt nur auf zweispurigen Autobahnen. Wenn mehr als 2 Fahrspuren vorhanden sind, darf außerhalb geschlossener Ortschaften davon abgewichen werden, wenn gelegentlich Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur fahren, damit trotz freier Fahrbahn der Verkehrsteilnehmer nicht ständig Schlangenlinien fahren muss. Leider wird dies von vielen Autofahrern so verstanden, dass auf einer dreispurigen oder mehrspurigen Autobahn immer auf der Mittelspur oder einer noch weiter links vorhandenen Spur gefahren werden kann, so dass mitunter die rechte Spur frei ist, obwohl keinerlei Verkehr herrscht.

Rechts überholen ist immer verboten

Mitunter gelingt es trotz Lichtzeichen oder Schallzeichen nicht, eine Schlafmütze auf eine freie rechte Spur zu bewegen, aber die meisten Autofahrer gehen davon aus, dass rechts Vorbeifahren stets verboten ist.

Auf mehrspurigen Landstraßen oder Autobahnen ist es aber durchaus in bestimmten Situationen erlaubt, nämlich wenn in einer durchgehenden Kolonne gefahren wird.

Auch einzelne Fahrzeuge dürfen bis zu einer Geschwindigkeit von 80 km/h und mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von maximal 20 km/h überholt werden, wobei dies nicht im Gesetz geregelt ist, sondern durch Rechtsprechung der Gerichte. Für Kraftfahrzeuge bis 3,5 t ist dies bei innerstädtischen mehrspurigen Straßen (außer Autobahnen innerorts) ist dies in § 7 Abs. 3 StVO geregelt. 

Und wenn Sie auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen von der durchgehenden Fahrbahn abbiegen, dürfen Sie vom Beginn einer breiten Markierung rechts schneller fahren als auf der weiterführenden Spur, § 7a Abs. 1 StVO.

Natürlich gilt dies nicht für die weit verbreitete Unsitte, beim Stau über den Standstreifen bis zur nächsten Ausfahrt oder Raststätte zu gelangen!

Reißverschluss so früh wie möglich?

Bei Sperrung einer Fahrbahn gilt das sogenannte Reißverschlussverfahren, das immer wieder Gelegenheit bietet, seine Unkenntnis des § 7 Abs. 4 StVO und seine charakterlichen Schwächen gegenüber anderen deutlich zu machen. Nach der gesetzlichen Regelung ist das Reißverschlussverfahren unmittelbar vor Beginn der Verengung durchzuführen und nicht bereits beim ersten Hinweis auf eine Verengung. Dabei gilt, dass demjenigen, dessen Fahrspur verengt ist, der Wechsel auf die durchgehende Fahrbahn zu ermöglichen ist. Das bewusste Zufahren einer Lücke, in die der Kraftfahrzeugführer aus der verengten Fahrspur hineinfahren könnte, kann unter Umständen eine Nötigung darstellen, zeigt jedenfalls einen miesen Charakter. Und kommt es dann in einer solchen Situation zum Unfall, haftet der Besserwisser mitunter auch allein für den Unfall.

Blaulichtfahrzeuge haben immer Vorrang

Viele Verkehrsteilnehmer geraten beim Anblick eines Blaulichts in Panik, bremsen stark ab, halten mitunter sogar an. Aber das Gebot, sofort freie Bahn zu schaffen gilt gemäß § 38 Abs. 1 StVO nur dann, wenn die Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und anderen Diensten, die hoheitliche Aufgaben erfüllen (geregelt in § 35 StVO) auch gleichzeitig das Einsatzhorn einsetzen. Ansonsten ist ein blaues Blinklicht genau wie ein gelbes Blinklicht lediglich zur Warnung vor Gefahrenstellen vorgesehen.

Radfahrer dürfen nicht auf der Straße fahren

Grundsätzlich gilt genau das Gegenteil: Radfahrer gehören auf die Straße.

Eine Pflicht, Radwege zu benutzen, besteht nur dann, wenn dies durch die Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist, § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO. Es handelt sich hierbei um die blauen Schilder mit dem Fahrrad (Radweg), die blauen Schilder mit den Fußgängern oben und unter einem horizontalen Strich ein Fahrrad (gemeinsamer Geh- und Radweg) und die blauen Schildern mit dem Fahrrad rechts, einem vertikalen Strich und den Fußgängern rechts (getrennter Rad- und Gehweg).

Kinder müssen bis zum 8. Geburtstag mit ihrem Fahrrad den Gehweg benutzen, ältere Kinder bis zum 10. Geburtstag dürfen den Gehweg benutzen. Ein weitverbreiteter Irrtum besteht darin, dass begleitende Erwachsene berechtigt wären, ihre Kinder auf dem Gehweg zu begleiten. Diesbezüglich wird aktuell eine Änderung diskutiert, die das Begleitfahren gestattet.

Kennen Sie weitere Irrtümer? Dann schicken Sie einen Kommentar.

 

 

 

2 Responses to “Beliebte Verkehrsirrtümer”

  1. Zosel sagt:

    Weitere Verkehrsirrtümer kenne ich nicht, aber Schreibirrtümer in Ihrem Text kann ich anbieten:

    „Mitunter gelingt es trotz Lichtzeichen oder Schaltzeichen nicht, …“
    Richtig: „Schallzeichen“

    „… horizontalen Strich ein Fahrrad (gemeinsame Geh- und Radweg) und die blauen Schildern mit dem Fahrrad rechts,…“
    Richtig: „… (gemeinsamer Geh- …); „… und die blauen Schilder mit …“

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